GesetzlicheGrundlagen

Der Sächsische Landtag hat am 13. Dezember 2017 das “Zweite Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts” beschlossen. Ein Bereich dieser Novellierung der Sächsischen Gemeinde- und Landkreisordnung betrifft die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Konkret heißt es in den beiden Paragraphen, die seit dem 01.01.2018 in Kraft sind:

 “Die Gemeinde / Der Landkreis soll bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Hierzu soll die Gemeinde / der Landkreis geeignete Verfahren entwickeln und durchführen.” (§ 47a SächsGemO bzw. § 43a SächsLKrO)

Kinder- und Jugendbeteiligung in den deutschen Kommunalverfassungen

Sachsen ist damit eines von sieben Bundesländern mit einer Verpflichtung zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene. Auf der Landkreisebene gibt es eine solche Regelung noch in zwei weiteren Bundesländern. In der folgenden PDF-Datei finden sich die rechtlichen Regelungen der Bundesländer im grafischen Überblick und im Wortlaut.

Gesetzliche Reglungen zu Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf allen Ebene

Sachsen ist damit eines von sieben Bundesländern mit einer Verpflichtung zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene. Auf der Landkreisebene gibt es eine solche Regelung noch in zwei weiteren Bundesländern. In der folgenden PDF-Datei finden sich die rechtlichen Regelungen der Bundesländer im grafischen Überblick und im Wortlaut.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Art. 21, Abs. 1: „Jeder hat das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter mitzuwirken.“

Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Art. 24, Abs. 1: Die Meinung von Kindern „wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.“

UN-Kinderrechtskonvention

Art. 12, Abs. 1: „Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“

Sozialgesetzbuch VIII

  • § 1, Abs. 3 Satz 5: Die Jugendhilfe soll „dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.“
  • § 4a, Abs. 1: „Selbstorganisierte Zusammenschlüsse […] umfassen Selbstvertretungen sowohl innerhalb von Einrichtungen und Institutionen als auch im Rahmen gesellschaftlichen Engagements zur Wahrnehmung eigener Interessen sowie die verschiedenen Formen der Selbsthilfe.“
  • § 4a, Abs. 3: „Die öffentliche Jugendhilfe soll die selbstorganisierten Zusammenschlüsse […] anregen und fördern.“
  • § 8, Abs. 1: „Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen […].“
  • § 8, Abs. 4: „Beteiligung und Beratung von Kindern und Jugendlichen nach diesem Buch erfolgen in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form.“
  • § 11, Abs. 1: „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen. Dabei sollen die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Angebote für junge Menschen mit Behinderungen sichergestellt werden.“
  • § 80, Abs. 1 Satz 2: „Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung […] den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Erziehungsberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln […].“

Baugesetzbuch

  • § 1, Abs. 6 Satz 3: Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind „die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen […]“ zu berücksichtigen.
  • § 3: „Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben. Auch Kinder und Jugendliche sind Teil der Öffentlichkeit […].“

Verfassung des Freistaates Sachsen

Art. 9, Abs. 1: „Das Land erkennt das Recht eines jeden Kindes auf eine gesunde seelische, geistige und körperliche Entwicklung an.“

Art. 101: „Die Jugend ist […] zu sittlichem und politischem Verantwortungsbewusstsein, zu Gerechtigkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zu beruflichem Können, zu sozialem Handeln und zu freiheitlicher demokratischer Haltung zu erziehen.“

Sächsische Gemeindeordnung (SächsGemO) und Sächsische Landkreisordnung (SächsLKrO)

§ 47a SächsGemO und § 43a SächsLKrO: „Die Gemeinde / der Landkreis soll bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Hierzu soll die Gemeinde / der Landkreis geeignete Verfahren entwickeln und durchführen.“

Sächsisches Schulgesetz

§ 1, Abs. 3: „Die schulische Bildung soll zur Entfaltung der Persönlichkeit der Schüler in der Gemeinschaft beitragen. Diesen Auftrag erfüllt die Schule, indem sie den Schülern […] Werte wie […] politisches Verantwortungsbewusstsein, Gerechtigkeit und Achtung vor der Überzeugung des anderen, berufliches Können, soziales Handeln und freiheitliche demokratische Haltung vermittelt, die zur Lebensorientierung und Persönlichkeitsentwicklung sinnstiftend beitragen und sie zur selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Anwendung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten führt […].“

§ 51 regelt die Schülermitwirkung und Schülervertretung und lädt z.B. dazu ein, das Leben und den Unterricht in ihrer Schule mitzugestalten. Schwerpunkte liegen insbesondere auf dem Informations-, Anhörungs- und Vorschlagsrecht, dem Vermittlungs- sowie dem Beschwerderecht. Einzelheiten der Mitwirkung von Lernenden sind seit 2005 im Abschnitt 3 der Schülermitwirkungsverordnung (SMVO) formuliert.

Gesetz über Kindertageseinrichtungen (SächsKitaG)

§ 6, Abs. 5: „Die Kinder wirken entsprechend ihrem Entwicklungsstand und ihren Bedürfnissen insbesondere im schulpflichtigen Alter bei der Gestaltung ihres Alltages in den Kindertageseinrichtungen mit.“

Fazit: Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist gesetzlich ausdrücklich festgeschrieben, sie ist jedoch nicht als Individualrecht einklagbar.

Rechtsgutachten Kinder- und Jugendparlamente

Das Deutsche Kinderhilfswerk hat 2022 ein Rechtsgutachten mit dem Titel „Rechtliche Rahmenbedingungen der institutionellen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten in Deutschland“ veröffentlicht, das die Regelungen in den einzelnen Bundesländern in den Blick nimmt.

Dem Hinweis „Idealerweise sind Kinder- und Jugendparlamente Teil einer vielfältigen Beteiligungslandschaft in den Kommunen.“ (Präambel) können wir uns ausdrücklich anschließen.

Darüber hinaus leitet das Gutachten die Legitimität von Kinder- und Jugendparlamenten aus der Verpflichtung zur Berücksichtigung der Interessen junger Menschen laut Art. 12 Kinderrechtskonvention her.

Die Annahme, dass Kinder- und Jugendparlamente die Kinderperspektive besonders wirksam vertreten könnten (S. 33 & 47), möchten wir ergänzen um den Hinweis, dass sie dazu möglicherweise besser als Erwachsenengremien, nicht jedoch zwingend besser als andere Formate der Kinder- und Jugendbeteiligung in der Lage sind. Hinzu kommen die bereits vielfach diskutierten blinden Flecken in Hinsicht auf Diversität & Responsivität der Jugendgremien.

Abgrenzen möchten wir uns von der Einschätzung, dass § 47a SächsGemO zur Etablierung von Kinder- und Jugendparlamenten aufruft und ihre Gründung in möglichst vielen Kommunen daher anzustreben sei (S. 62). Aus unserer Sicht soll der sächsische Beteiligungsparagraf gerade eine große Vielfalt an Formen, Orten und Methoden der Beteiligung ermöglichen. Gut funktionierende Kinder- und Jugendparlamente sind sehr voraussetzungsreich, zu Gelingensbedingungen und Stolpersteinen beraten wir gern. Ebenso wie zu allen anderen Beteiligungsformen, die zu den Anliegen der Akteure vor Ort sowie den jeweiligen Rahmenbedingungen passen.

Dies vorangestellt, kann das Gutachten eine wertvolle Argumentationshilfe sein, die Mitsprachemöglichkeiten junger Menschen in Kommunen, Landkreisen und Jugendhilfeausschüssen zu fördern und auszuweiten. Nutz es gern für eure wichtige Arbeit.